Familienglück

 

„In naher Zukunft werden die Grazerinnen und Grazer wieder bei der Familie Girardi zu Gast sein. Sie werden sich wohlfühlen und künstlerische Höhepunkte erleben“, freut sich Bürgermeister Siegfried Nagel laut der Bezirkszeitung „Woche“ vom 25. August 2021 über das fertig gestellte „Zukunftskonzept“ für das Girardi-Haus.

Soweit es den einstigen populären Volksschauspieler Alexander Girardi betrifft, sollte man jedoch vorsichtigerweise nicht allzu sehr auf ungetrübtes, gemütliches Familienglück hoffen. Seit 1893 in erster Ehe mit der als „virtuose Erotikerin“ und „feminine Salondame“ beschriebenen Bühnenkünstlerin Helene Odilon verheiratet, führte die Hochzeitsreise nach Graz, wo sie 14 Tage nach der Verehelichung ihren Ehemann mit einem Opernsänger betrog, mit dem sie ebenso in längerer Verbindung blieb, wie etwa mit ihrem engen Freund, den Baron Albert Rothschild, und anderen Liebhabern. Bald sollte sich das Familienglück noch weiter verdüstern, zumal Alexander Girardi ab 1896 sichtbar unter körperlichen Verfall durch gesteigerten Kokainkonsum litt. Helene Odilon war unterdessen bestrebt, ihre angestrebte Scheidung und die alleinige Schuldzuweisung am mitunter bizarren Verhalten Girardis und dessen „Geisteskrankheit“ festzumachen. Mehrere Wiener Zeitungen schrieben in diesem Sinne von der „Zerrüttung seines Nervensystems“ und von einer „Flucht vor dem Irrenhaus“, nachdem Girardi eine Untersuchung durch Professor Wagner-Jauregg verweigert und zur Hofschauspielerin Katharina Schratt gezogen war, die wieder diesbezüglich im Sinne ihres Gastes Einfluss auf den befreundeten Kaiser Franz Joseph ausgeübt haben dürfte.

Den endgültigen Schlussstrich zog Girardi nach seiner Scheidung 1898: „Wie ich sie g’heiratet hab’ hätten s’ mir den Zellenwagen schicken sollen! Jetzt, nach mehrjähriger ‚Vernunftehe‘ ist es zu spät. Jetzt bin ich nicht mehr narrisch“, erklärte er den Ärzten. Ob dies seine Richtigkeit hat, kann man in der Leonhardstraße bereits in naher Zukunft persönlich erfahren.

Hans Veigl