ANGELA HÖPPL-SALMHOFER

 

Die Salmonellen: Das Kabarettensemble der Ursulinen Graz

 

Im Anfang waren ... die liberale Klosterschule der Ursulinen in Graz, eine junge, theaterblutvolle Lehrerin mit Namen Angela Salmhofer und Schülerinnen, die alsbald Blut geleckt hatten – schnell und mühelos waren sie infiziert, Theaterblut ist eben ein ganz besonderer Saft!
Inspiriert vom Mädchennamen der Gründerin und angeregt von den unangenehmen, naturgemäß „giftigen“ Eigenschaften des Bakteriums ward – in der Absicht satirisch-kabarettistische Wege einzuschlagen – der Ensemblename Salmonellen geboren (was zuweilen zu heiteren, aufklärungsbedürftigen Zweideutigkeiten führte, wie zur Schlagzeile: „Salmonellen im Next Liberty“! Absicht? Amüsant jedenfalls!).

Besondere Merkmale und Eigenheiten der Salmonellen: Girls only group, 6 bis 16 Ensemblemitglieder bei wechselnden Formationen, mit Talent zu Hosenrollen – der Not, beziehungsweise dem Mangel an männlichen Wesen an der damals „reinen“ („unreinen“!?) Ursulinenschule gehorchend – später dann schon fast trotzig, emanzipatorisch dem „girl power“‑Konzept folgend.
Im Kollektiv wurden reizvolle Themenkomplexe erdacht, oft in der Improvisation erprobt, erspielt und irgendwann von „AHS“ (Angela Höppl-Salmhofer) annähernd fixiert, in Form und Text gegossen, wobei bis zuletzt Offenheit und Textvariation zugelassen blieben. Die Salmonellen führten aber nicht nur eigene Stücke auf, auch auf Texte von Ernst Jandl, Karl Valentin, Elfriede Jelinek oder H. C. Artmann und andere wurde zurückgegriffen. Wie es der kabarettistische Ansatz forderte, flossen aktuelle Entwicklungen und Ereignisse bis zuletzt in die Programmgestaltung ein.
Manche Programme sind auch heute noch erschreckend aktuell z. B. das 1995 aufgeführte Programm „Im Anfang war die Presse und dann erschien die Welt“, in dem es um Pressefreiheit, (wie man heute sagen würde) Fake News und um Manipulation via Medien geht. Oder „Ein schräges Stück Familienglück“ von 2000, über die chaotische Form des traditionellen menschlichen Zusammenlebens. Ein Dauerthema auch bereits 2003: „Nur (kein) Stress!“, in dem es, wie der Titel schon verrät, um Stress aller Art, vom Bügeln bis Daten, geht.

Nun denn – frech und fürwitzig meldeten wir uns bereits im Jahre 1986, also kurz nach der Gründung für den Vorbewerb zum 1. Kleinkunstvogel im Grazer Theatercafé an und – der Vogel flog uns glatt zu – wir gewannen mit dem Programm „TV-Werbung – ein Col(l)agenprodukt der Salmonellen“. Der zweiteilige Preis: ein unverwüstlicher Keramikvogel, seither im Käfig gehütet, und weitere Auftritte im Theatercafé! Auch weitere Preise konnten die Salmonellen gewinnen: 1995 erhielten wir den Theaterpreis des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) für „Im Anfang war die Presse und dann erschien die Welt. Ein Pressezerrspiegel der Salmonellen“. 1998 wurde beim Theaterfestival e.l.m.a.s. das Programm „Yougend ohne Bock? A Girl Power Play“, das auch bei der steirischen Landesausstellung im selben Jahr in Bad Radkersburg aufgeführt wurde, ausgezeichnet.
Es folgten, abseits der Auftritte im hauseigenen ULK (UrsuLinen Keller) bis zum Jahr 2013 zahllose Engagements in Graz, u. a. im Next Liberty, im Theater am Ortweinplatz (im TaO spielten wir bei Manfred „Ossi“ Weißensteiner vom Gründungsjahr 1992 an), im Minoritensaal (eingeladen von Harald Seuter), bei der Akademie Graz (die damals Emil Breisach leitete), im Palais Attems (auf Einladung des legendären Ingo Wampera, der auch fotografierte) – und Auftritte bei vielen, vielen Festivals, z. B. in St. Lamprecht, Bad Radkersburg oder Heidenreichstein. Auch 2005 beim Kabarettfestival Blutjunges Kabarett in Wien im Theater am Alsergrund, initiiert von Simon Pichler. 2012 gab es gar eine Einladung an die Junge Burg im Burgtheater Wien.

Auch wenn es die Salmonellen nicht mehr gibt, gibt es sie doch. Hier eine Auswahl an Ex-Salmonellen im „Kunst- und Kulturgetriebe“:
Claudia Klučarić (Bildende Künstlerin mit Hang zur Performance, Schülerin von Joannis Avramidis), Gunde Fürpass (Schauspiel, Film), Katharina Müller (Kultur-Film-Medienwissenschaftlerin), Angelika Reitzer (Schriftstellerin, Lektorin) und natürlich Ulrike Haidacher und Antonia Stabinger (als Kabarettduo Flüsterzweieck).
Allesamt Mutanten des offenbar toxischen Urbakteriums – Salmonellen – systemisch manifestiert.
Mittlerweile existieren nachhaltige, freundschaftliche Verbindungen – lang leben auf diese Weise die Salmonellen weiter!

 

Anmerkung aus dem Österreichischen Kabarettarchiv zum Kleinkunstvogel: Bei der Austragung des ersten „Grazer Kleinkunstwettbewerbs für Nachwuchskünstler“ im Februar 1987 im Grazer Theatercafé gab es, im Gegensatz zu den Folgejahren, gleich drei Auszeichnungen. Neben den Salmonellen, die den Cabaretpreis gewannen, wurden Michael „Mike“ Supancic mit dem Interpretenpreis und Heinz Primus mit dem Autorenpreis ausgezeichnet. Alle GewinnerInnen bekamen einen von Heidi Kopfauf gestalteten Keramikvogel und die Gelegenheit, ihre Programme im Herbst desselben Jahres auf der Kleinkunstbühne Hin & Wider im Theatercafé zu präsentieren.
(Siehe hierzu: Iris Fink: Der komische Vogel aus Graz. Der „Grazer Kleinkunstwettbewerb“ in Anekdoten und Fakten. Graz 2004.)

© Angela Höppl-Salmhofer, Die Salmonellen:
Das Kabarettensemble der Ursulinen Graz
In: Oesterreichisches Kabarettarchiv online, 2021.

 


Foto: © Angela Höppl-Salmhofer

Angela Höppl-Salmhofer (* 1956 in Bad Gams), Studium der Germanistik, Anglistik und Philosophie in Graz, Ausbildung zur Theaterpädagogin. 1981–2019 Lehrerin am Gymnasium der Ursulinen in Graz, unterrichtet Deutsch und Englisch, Darstellendes Spiel und leitet die ARGE Darstellendes Spiel.
1985 Gründung der Kabarett-Theatergruppe Salmonellen, bis zur Pensionierung 2019 Text und Regie für etwa 30 Programme mit den Salmonellen sowie viele mit Schulklassen. Texterin für die Grazbürsten. 2000–2020 Lehraufträge am Germanistischen Institut der Karl-Franzens-Universität Graz (DramatikerInnenwerkstatt, Theaterpädagogik, Kreatives Schreiben). 2003–2005 Ausbildung zur Mediatorin. Theaterreferentin bei den Vereinigten Bühnen Graz.

Veröffentlicht am: 7. Mai 2021