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Die Tellerwäscher
Kabarettensemble, Graz, 1963 – 1991
Die Tellerwäscher gingen aus dem 1951 gegründeten Laientheater-Verein „Die Spielvögel“ hervor. Dieser hatte Anfang der 1960er-Jahre vermehrt versucht, sein Portfolio zu erweitern – unter anderem durch Sozial- und Kulturkritik mittels Aufführungen eines eigenen Kabarett-Ensembles.
Das erste Programm, „Die Sechs-Goschen-Oper“, hatte am 14. März 1963 Premiere. Spielort war der damalige „Spielvögel“-Keller in der Merangasse 51, der 48 Zuschauer*innen Platz bot. Der Autor dieses Kabarett-Erstlings war Emil Breisach, die Musik lieferten Dieter Gogg und Friedl Althaller; Darsteller*innen waren unter anderem Marlene Günther, Horst Slippek, Ingo Wampera, Bert Frankow und der damals gerade einmal 17-jährige Wolfram Berger, gelobt von der „Süd-Ost Tagespost“ als „der sehr ruhige, fein pointierende […] der sich am meisten von jeder Übertreibung fernhielt.“ Die „Neue Zeit“ merkte zur Premiere an: „Man muss gestehen, sie waschen die Teller vom großen Tisch der Politik, der Kultur und der Wirtschaft mit einer Gründlichkeit, die einem dann und wann den Atem verschlagen kann.“
Ab dem nächsten Programm schrieben neben Breisach auch Gogg, Walter Zitzenbacher und Ferdinand Hirschmann. In den kommenden Jahren verfassten auch Gerda Klimek, Gerald Schöpfer, Manfred Koch, Gert Linke, Hellmuth Himmel, Theo Herbst, Bernd Schmidt, Dietmar Wachter oder Heiner Linder Texte für das sich rasch etablierende Ensemble.
Die Tellerwäscher praktizierten eine arbeitsteilige Trennung der Funktionen zwischen Autor*innen, Komponisten, Darsteller*innen und Regie. Für letztere zeichnete Harald Kopp verantwortlich, außerdem gab er während der Umbaupausen regelmäßig seine Parkett-Chansons zum Besten. Auf der Bühne agierten unter anderem Lizzy Cordas, Gudrun Gröbelbauer, Horst Goldemund, Bert Strobl, Walter Bartussek, Dietrich Siegl, Gerhard Primec, Herby Stamm, Tino Sekay, Armin Kopp oder Rosie Belic. Auch die musikalische Unterstützung war mit Viktor Fortin, Bernd Schmidt oder Dieter Wachter prominent besetzt.
Das 1963 initiierte Projekt entwickelte sich rasch zu einer eigenen Erfolgsgesichte. Jährlich wurden zwei neue Programme präsentiert. Bis 1971 agierte man als Laienkabarett-Gruppe, in der „auf Teilung“ gespielt wurde. Danach kam es zu einer Zäsur – der Merangassen-Keller musste aufgrund baupolizeilicher Gründe geschlossen werden und kurzfristig sah es so aus, als wäre die Ära der Tellerwäscher mit dem 16. Programm beendet. Doch nach einer einjährigen Schaffenspause ging es weiter.
Man trennte sich von den „Spielvögeln“ und entwickelte sich zu einer professionellen und eigenständigen Gruppe, welche die jeweiligen Schauspieler*innen zu Fixgagen verpflichtete. Noch bis 1986 zeichnete Kopp für Leitung und Regie verantwortlich, die letzten Jahre übernahm diese Funktionen Hannes Urdl.
Inhaltlich wurde literarisch-zeitkritisches Kabarett geboten, man kommentierte Politik, Kultur und Gesellschaft. Besonderes Augenmerk galt dabei lokalen Ereignissen. Über die Jahre hatte man sich in Graz und der Steiermark einen Namen gemacht und war zu einer Institution im lokalen Kulturprogramm geworden. Die jeweiligen Premieren wurden von der Presse meist wohlwollend besprochen. Vor allem in den späten 1960er-Jahren, als sich die Kabarettszene in einer Krise befand, gab es viel Lob für das „nunmehr einzige auch international renommierte Kabarett in Österreich“ (Neue Zeit, Juli 1969). In späteren Jahren schlugen die Zeitungen in einzelnen Rezensionen freilich auch kritische Töne an. 1983 schrieb Leo Lukas in seiner Funktion als Kulturkritiker in der „Kleinen Zeitung“ über das „gutbürgerliche Vorwahl-Menü“ – das Programm „Henkers Wahlzeit“ stellte die aktuelle politische Auseinandersetzung in den Mittelpunkt. Lukas übte zwar Kritik am „antiquierten Schwarzweiß-Bühnenbild“ und der Regie, lobte die Tellerwäscher inhaltlich aber als „noch immer so gut wie vor 21 Jahren“.
Nach dem Auszug aus der Kellerbühne in der Merangasse waren die Tellerwäscher ohne feste Spielstätte und in den folgenden Jahren immer wieder auf der Suche nach einer geeigneten Bühne – sie traten ab 1973 in chronologischer Reihenfolge im Heimatsaal in der Paulustorgasse, im Haus der Jugend/Orpheum, im Katholischen Studentenhaus in der Münzgrabenstraße, dem Kleinen Minoritensaal am Mariahilferplatz und dem Carl-Lipp-Saal in der Salzamtsgasse auf. Ins Orpheum und in den Minoritensaal kehrte man jeweils nach einigen Jahren wieder zurück – hier dürfte das Ambiente am stimmigsten gewesen sein. Auftritte hatte das Ensemble aber nicht nur in Graz, sondern auch in den steirischen Bezirken, österreichischen Bundesländern bis hin ins benachbarte Ausland. Beispielsweise wurde man schon im Februar 1967 in Tirol als „durch Rundfunk und Fernsehen bekanntes Kabarett-Ensemble aus Graz“ (Plakat, Fremdenverkehrsverband Reutte) vorgestellt. 1982 wiederum berichteten die „Obersteirischen Nachrichten“ von vollbesetzten Sälen in Judenburg, Knittelfeld und Murau.
Abgesehen von den Grazbürsten, bei deren Gründung 1984 ehemalige Akteure der Gruppe eine wesentliche Rolle spielten, waren die Tellerwäscher das Kabarett-Ensemble mit der längsten Kontinuität – sie waren ein Fixpunkt des Grazer Kulturlebens und für viele Darsteller*innen und Autor*innen eine erste große Bühne in deren Karriere.
Programme:
1963 Die Sechs-Goschen-Oper
1963 Mit beschränkter Achtung
1964 Schand in Sicht
1964 Bleib‘ im Land und wehr‘ Dich redlich
1965 Schock pur
1965 Mit Messer und Schnabel
1966 Flegelregatta
1966 Jahrespleitenspiele
1967 Neunte Sumphonie
1968 Demonstr-irren ist menschlich
1969 Unter die Hupe genommen
1969 Wäschers-Digest – das Beste aus elf Programmen
1969 Austro Flautik
1970 Elexiere des Zweifels
1970 Die Ehrenwürger
1971 Dunst ins Volk
1973 Wir verreis(s)en wieder
1974 Blättern Sie heiter!
1975 Anhaltender Schmähfall
1976 Jubiläumsspüle
1977 Glücklich ist, wer verkrist
1978 Feind sein, beinander bleiben
1979 Maul- und Clownseuche
1980 Alles nur T(r)ick
1981 25 … und kein bisschen leise
1982 Till Keulenspiegels Gruselkabinett – Wir bitten zum Pflanz
1983 Henkers Wahlzeit
1984 1984 – Eine kleine Machtmusik
1985 Verschlampt in alle Ewigkeit
1986 Sch(m)erzartikelausverkauf
1987 Hammer und S(t)ichel
1988 Mund auf – Zunge raus!
1989 Messer, Gabel, Schere, Licht
1990 Tu Kirmes Austria
1991 Maikäfer, flieg – Ein Kabarett-Stück
Quellen:
Iris Fink / Hans Veigl, … und Lachen hat seine Zeit. Kabarett zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Kleinkunst in Österreich 1945 bis 1970 (= Kulturgeschichte des österreichischen Kabaretts, Band 2), Graz 2016.
Iris Fink, Von Travnicek bis Hinterholz 8. Kabarett in Österreich ab 1945. Von A bis Zugabe, Graz 2000, 197–198.
Österreichisches Kabarettarchiv, Sammlung Die Tellerwäscher.
„Aufg’spießt“. Kabarettistische Reflexionen 1945–2000. Politicum, Josef Krainer Haus-Schriften 88, November 2000/20. Jahrgang.
Iris Fink, „Made in Styria“ – Kabarett in und aus Graz. Eine Bestandsaufnahme, in: Friedrich Bouvier / Nikolaus Reisinger (Schriftleitung und Redaktion): Stadtgeschichte aktuell (= Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Bd. 42, Hrsg. vom Kulturamt der Stadt Graz), Graz 2012, 555–582.
Geschichte: Das Theater im Keller / Die Spielvögel in Graz, online im Internet: Theater im Keller - GESCHICHTE (tik-graz.at) [aufgerufen am 09.11.2021].
Autor/innen:
Thomas Stoppacher
Letzte inhaltliche Änderung:
14.12.2021