Martin Flossmann
(Horst Flossmann )
* 16. Februar 1937 in Linz, † 28. Dezember 1999 in Baden bei Wien
Schauspieler, Theaterautor, Kabarettist, Kabarett-Leiter
Horst Flossmann wurde 1937 in Linz geboren. Schon als Schüler begeisterte er sich für die Bühne und spielte in Jugendtheatergruppen. Nach der Matura studierte er in Wien Rechtswissenschaften – doch auch als promovierter Jurist galt sein Interesse dem Kabarett und Theater. In seiner künstlerischen Laufbahn nannte er sich Martin, angeblich weil sein ursprünglicher Geburtsname an das Horst-Wessel-Lied erinnere.
1965 gründete Flossmann das Wanderkabarett „Der Bunte Wagen“ und tourte drei Jahre lang durch den gesamten deutschen Sprachraum, ehe die Gruppe 1968 in der Auerspergstraße 17 einzog. Für die Eröffnungsrevue „Frauen und Mächte“ stand Flossmann gemeinsam mit seiner Frau Tamara Stadnikov, sowie mit Hans Harapat und Louis Strasser auf der Bühne. Die Texte für den „Bunten Wagen“ schrieben anfangs Hugo Wiener, Ernst Hagen, Sepp Tatzel und Martin Flossmann-Harell – wie er sich zeitweise nannte. Nach dem folgenden Programm „Liebe deine Nächste“ schrieb „Die Presse“ (21.11.1969) bereits von einem „Neo-Simpl“, aber für jüngeres Publikum. Das Programm wurde auch für den ORF aufgezeichnet und kam beim Fernsehpublikum gut an. Durch den gestiegenen Bekanntheitsgrad war die nächste Produktion „Mies Austria“ durchgehend ausverkauft. Es folgten im Jahresrhythmus „Pfützen der Gesellschaft“, „Umwege nach Rom“ und „Eine schöne Bescherung“. Als Autoren fungierten nunmehr Flossmann, Tatzel und Roland Knie; die musikalische Leitung und allabendliche Klavierbegleitung hatte Michael Danzinger inne. Ab 1973 gestaltete Flossmann mit seinem Team auch die ORF-Fernseh-Unterhaltungssendung „Cabaret Cabaret“.
Der Auerspergkeller war schon längst zu klein geworden und Flossmann kaufte 1974, nachdem dementsprechende Gerüchte zuvor noch von allen Seiten heftig dementiert wurden, den ziemlich angeschlagenen Simpl von Baruch Picker und übersiedelte mit seinem Ensemble in die Wollzeile, was wiederum für immensen Ärger beim „alten Simpl“-Ensemble sorgte, das einfach vor vollendete Tatsachen gestellt wurde – und nun plötzlich ohne Engagement dastand.
Für die dringend notwendige Generalsanierung des Kellerlokals erhielt Flossmann Unterstützungen der Stadt Wien und vom Unterrichtsministerium – laut eigener Angabe die einzigen finanziellen Zuwendungen, die er jemals in Anspruch genommen hat. Prinzipiell war Flossmann der Ansicht, dass sich Theater selbst erhalten müsse und nicht von staatlichen Stellen abhängig sein sollte.
Künstlerisch schlug Flossmann anfangs große Skepsis entgegen, doch das sollte sich rasch ändern. Ab nun gab es nur noch eine Revue pro Saison und im späten Frühjahr Gastspiele – beispielsweise 1976 mit „Les Garcons Terribles“ die erste Transvestiten-Show in Wien, welche für großes Aufsehen sorgte; ebenso zeigte er Musicals oder Zaubershows. Die Revuen waren von nun an regelmäßig im ORF zu sehen und bald hatte Flossmann den Simpl wieder zu einer florierenden Unterhaltungsinstitution gemacht.
Nach der Trennung von Tamara Stadnikow (1977) wurde Edith Leyrer die Grande Dame des Simpl. Kurt Sobotka führte Regie und Gerhard Steffen, Erwin Steinhauer, Ossy Kolmann (dessen Tochter Elfie Flossmanns zweite Frau wurde) oder bald auch Maxi Böhm, der ja schon in der Ära Farkas im Simpl gewirkt hatte, erweiterten das Ensemble. 1988 gelang es Flossmann Cissy Kraner und Hugo Wiener für Gastspiele zurück in den Simpl zu holen.
Zu den Autoren zählten neben Tatzel und Knie nunmehr u. a. Peter Wehle, Alois Haider, Walter Wemmer oder Renate Basten und Flossmanns dritte Frau Renate Wielke.
Zum viel und oft diskutierten Thema Politik im Kabarett, beziehungsweise im Simpl schrieb Flossmann in einem Programmheft anlässlich der Causa Androsch – dem Finanzminister wurde Steuerhinterziehung vorgeworfen, worauf er schlussendlich zurücktreten musste: „Selbst auf die Gefahr hin, nicht als ‚moralische Anstalt‘ ernstgenommen zu werden, erklären wir vom Simpl ausdrücklich, daß wir nicht den Ehrgeiz haben, Minister zu stürzen, Manager ins Häfen oder Stadträte in die Wüste zu schicken, einem Arbeitsplatzbeschaffer ein paar fehlinvestierte Milliarden vorzurechnen, Komponistenwitwen zu verbrennen oder einen Grünen für den Atomstrom zu begeistern. Sie sollen alle bleiben, was sie sind und wo sie sind, solange sie uns Anlaß für zweieinhalb Stunden Unterhaltung bieten.“ (Programmheft „Skandale und Liebe“, Saison 1980/81)
Dieser Prämisse folgend gab es sehr wohl Statements zu den politischen Ereignissen, so etwa zur Nationalratswahl 1979, bei der Bruno Kreiskys SPÖ mit dem besten Ergebnis ihrer Geschichte gewann: „Eine von der ÖVP durchgeführte Meinungsumfrage hat ergeben: 70 Prozent der SPÖ-Wähler würden die Volkspartei wählen – wenn’s eine gäbe.“
Trotz Erfolgs im Simpl suchte Flossmann eine neue Herausforderung, wollte größere Häuser verantworten und seine Ideen umsetzen. Er hatte sich beispielsweise in Wien (erfolglos) um die Leitung des Ronacher und des Raimund-Theaters beworben und hatte nunmehr einen Vertrag als künstlerischer Leiter des Friedrichstadt-Palast in Berlin. Er wollte den Simpl verkaufen bzw. in gute Hände legen und fragte bei Michael Niavarani an, der bereits 1989 für eine Saison im Simpl-Ensemble mitgewirkt hatte, ob dieser sich vorstellen könne, den Simpl zu übernehmen. Der 25-Jährige sagte nach kurzer Bedenkzeit zu und übernahm im Sommer 1993 die künstlerische Leitung, Albert Schmidleitner die kaufmännische. Flossmanns letzte „Simpl“-Revue war „Bulli packt aus“ in der Saison 1992/93.
Flossmann zog nach Berlin, scheiterte jedoch an der Berliner Theaterkrise und den Einsparungen infolge der deutschen Wiedervereinigung. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Niederösterreich, wo er als freischaffender Bühnenautor und Regisseur lebte. Er verstarb im Dezember 1999 im Alter von 62 Jahren an Lymphdrüsenkrebs.
In den Nachrufen der österreichischen Zeitungen wurde das Lebenswerk Flossmanns nochmals gewürdigt. Werner Rosenberger schrieb im „Kurier“: „Er stand noch für Unterhaltung auf Niveau, ehe purer Klamauk und Allerweillustigkeit die Kleinkunst überschwemmten“ und Ronald Pohl vermerkte im „Standard“: „Die ‚Simpl‘-Revuen waren komisch, wenn Flossmann den Boulevard, der ihm die schönsten Vorwände lieferte, noch einmal unterbot. Seine Kommentare waren oft bissig; nur schrie keiner auf.“
Quellen:
Iris Fink: „… und das Lachen höret nimmer auf“. Von politischer Kleinkunst zum Kabarettboom
Kleinkunst in Österreich 1970 bis 2000 (= Kulturgeschichte des österreichischen Kabaretts, Bd. 3). Graz 2022.
Julia Sobieszek: Zum Lachen in den Keller. Der Simpl von 1912 bis heute. Wien 2012.
Dr. Martin Flossmann, 1937–1999. Von 1974 bis 1993 Direktor des Kabarett Simpl. Sammlung von Nachrufen aus Kurier (Werner Rosenberger, 30.12.1999), Neue Kronenzeitung (Karlheinz Roschitz, 30.12.1999 und Georg Markus, 5.1.2000) und Der Standard (Ronald Pohl, 30.12.1999). In: Gierig & Co, Eine Simpl-Revue. Programmheft, 27.4.2000 bis 16.9.2000.
Autor/innen:
Thomas Stoppacher / Iris Fink
Letzte inhaltliche Änderung:
10.12.2024