Foto: Sammlung Henriette Ahlsen; Österreichisches Kabarettarchiv
Henriette Ahlsen
(Elfriede Stampler)
* 22. Juni 1926 in Graz, † 2009 in Graz
Schauspielerin, Soubrette, Kabarettdarstellerin
Wir haben im September 2021 eine Sammlung aus dem Nachlass von Henriette Ahlsen erworben. Ahlsen war uns bekannt als Schauspielerin am Kabarett Der Igel in Graz und am Wiener Simpl. Zudem wussten wir, dass sie ab Mitte der 1970er-Jahre mit dem Schauspieler Rudolf Carl verheiratet war und wieder in Graz lebte.
Die Sammlung besteht zum größten Teil aus Fotos – private und Bühnenfotos, die wir allerdings kaum zuordnen können, da (fast) alle unbeschriftet sind. Aber es gibt lose graue Kartonblätter, die einmal zu einem Album gehört haben dürften, in das Henriette Ahlsen Kritiken, Interviews und Fotos eingeklebt hat. Allerdings ist auch hier nichts mit Quelle und Datum vermerkt.
Einiges konnten wir durch unsere Recherchen nun zuordnen und somit eine (lückenhafte) Biografie erstellen.
Henriette Ahlsen wurde als Elfriede Stampler in Graz geboren – der Grund für ihre frühe Namensänderung ist uns nicht bekannt. In GRaz machte sie auch ihre ersten Bühnenschritte. Viel später, von September 1959 bis Jänner 1960, gastierte sie dann am Grazer Opernhaus in „Wiener Blut“ und „Zwei Herzen im 3/4 Takt“.
Aber zurück zu den Anfängen: In der Nachkriegszeit, ab April 1946, war Henriette Ahlsen Teil des von Franz Paul gegründeten Kabaretts Der Igel im Roseggerhaus in der Grazer Annenstraße; auch die sommerlichen Gastspiele abseits der Landeshauptstadt machte sie mit, wovon lediglich ein Zeitungsbericht zeugt.
Weitaus besser dokumentiert sind ihre Auftritte im Stadttheater St. Pölten, im Raimundtheater sowie im Simpl.
In der Saison 1950/51 war sie in St. Pölten als Schauspielerin und Soubrette engagiert, u.a. zur Saisoneröffnung mit „Eine Nacht in Venedig“; gleich darauf in Schillers „Die Jungfrau von Orleans“, gefolgt von den Operetten „Der lachende Ehemann“ ( Edmund Eysler), „Salzburger Nockerln“ von Fred Raymond und im höchst erfolgreichen „Weißen Rößl“ ebenso in „Der Vogelhändler“, „Das Mädchen aus der Fremde“, „Der Opernball“ oder in „Manina“ von Nico Dostal.
Komödiantisch bewährte sich Ahlsen in dem Franz Arnold/Ernst Bach-Schwank „Die vertagte Nacht“ ebenso wie in der Kriminalkomödie „Prozess Mary Dugan“ und in dem Erfolgslustspiel „Die kluge Wienerin“ von Friedrich Schreyvogl. Sie stand aber auch in Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ auf dem Theaterzettel und kehrte als Gast auch später an das Sankt Pöltener Haus zurück, etwa für das Lustspiel „Der Herzspezialist“ aus der Feder des Wiener „Josefstadt“-Mimen Hans Holt oder für „Unsere Frau Lucretia“ des englischen Dramatikers Kenneth Horne.
Im Souterrain des Wiener Simpl spielte sie ab Herbst 1951 in der Revue „Belüge dich täglich“ sowie 1952 in der 40-Jahre-Jubiläums-Produktion „Vorwärts ins Gestern“ und im Programm „Nix für Inder“. 1963 kehrte sie dorthin zurück und wurde über viele Jahre festes Mitglied des Ensembles um Karl Farkas.
Doch zunächst spielte Ahlsen im Kellertheater. Im Oktober 1953 war sie in der Eröffnungsproduktion des (kurzlebigen) „Ateliertheaters an der Rotenturmstraße“ in Marcel Achards „Oh, diese Geschichte!“ zu sehen. 1959 wirkte sie im Theater am Parkring in „Die Villa der Madame Vidac“, am RenaissanceTheater – seit 1949 Spielstätte der Löwingerbühne – gastierte sie 1953 in der Ausstattungsrevue „Frauen und Liebe“ u.a. mitihrem späteren Ehemann Rudolf Carl sowie 1956 im musikalischen Lustspiel „Liebe im Regen“ von Karl Farkas und Ludwig Herzer.
Im Frühjahr 1956 war sie im Intimen Theater in der Liliengasse unter der Regie von Karl Farkas in „Rendezvous bei Katja“ Teil der Besetzung. Diese Farce von Paul Brizot hatten Michael Kehlmann und Carl Merz übersetzt; Farkas und Hugo Wiener lieferten die Gesangstexte dazu.
Im Juli 1958 übernahm Ahlsen an der Seite von Rudolf Carl in der Raimundtheater-Produktion „Frauen haben das gern“, einer Schwankoperette von Walter Kollo, die weibliche Hauptrolle. Das Stück wurde ein großer Erfolg und anschließend am Deutschen Theater in München (November 1958) gespielt.
Zwei Jahre später spielte sie wiederum in der Sommerproduktion des Raimundtheaters, diesmal die Sekretärin im Schwank „Frischer Wind aus Kanada“ unter der Regie von Hans Fretzer. Zuvor, im Frühjahr 1960, sang sie im Raimundtheater in der Josef-Strauß-Operette „Frühlingsluft“ die Baronin Fallersee.
1963 wirkte sie dort noch im Musical „Champagner-Lilly“, das am 15. Februar 1963 Premiere hatte, aber bereits nach einem Monat wieder abgesetzt werden musste.
Als Kabarettdarstellerin ist Henriette Ahlsen vor allem aus dem Simpl bekannt, in dessen Ensemble sie in der Ära Farkas jahrelang angehörte.
Über das Frühjahrsprogramm 1963 „Nur nicht aufregen“ schrieb Alexander Witeschnik von der „Österreichischen neuen Tageszeitung“ u.a.: „Dazu hat man in Henriette Ahlsen vielversprechenden Zuwachs gewonnen: hübsche Stimme, im Stil vorläufig noch zu viel Operette und zu wenig Kabarett. Aber das findet sich.“
Im Herbst 1963 wurde sie im Programmheft zu „Wer bezahlt das?“ erneut als zweiter weiblicher Star neben Elly Naschold angeführt. Die Kritik vermerkt: „Neben ihr hat sich aber nun in dem Netz, das die Wollzeile unermüdlich neu auswirft, ein besonders kostbarer Goldfisch gefangen, die bildhübsche Henriette Ahlsen, auf die das Simpl-Komödiantenblut gar nicht erst durch eine langwierige Transfusion übertragen werden muss.“ (Arbeiterzeitung, 19. September 1963)
In den nächsten Jahren folgten die Produktionen „Das waren Zeiten…!“, „Wir gehen fremd!“ (1964), „Waren das Zeiten?“, „Ins eigene Nest…“ (1965), „Mit roter Tinte!“, „Sex und Sechzig“ (1966) oder „Heiter bis wolkig“ (Herbst 1968) und „Amor – go home“ (Frühjahr 1969). Auch in den Kabarettrevuen „Gangster über Wien!“ (1969) und „Vorher und Nachher“ (1970) blieb Ahlsen Teil des Simpl-Ensembles.
Henriette Ahlsen wirkte auch im Fernsehen in den legendären „Bilanzen“ von Karl Farkas mit. Teils – gegen Ende der Ära Farkas – wurden diese auch als Aufzeichnungen aus der „Simpl“-Lokalität in der Wiener Wollzeile geboten, so am 23. Juli 1966 mit der Ausstrahlung von „Ins eigene Nest“. Drei Jahre später, im Hauptabendprogramm, wurde am 14. Juni 1969 „Heiter bis wolkig“ (Regie: Peter Hey) ausgestrahlt. Neben Farkas traten u.a. Ahlsen und Elly Naschold „als g’schmackige Spioninnen im Emma-Peel-Look“ oder Maxi Böhm auf. (Express, Radio-Fernsehen Wochenprogramm, 14.–20. Juni 1969)
Neben ihren Bühnenverpflichtungen spielte Henriette Ahlsen auch in Filmen mit. 1959 war sie in „Gangsterjagd in Lederhosen“ zusammen mit Beppo Brem und Rudolf Carl zu sehen. Weitere Rollen hatte Ahlsen in diversen Operetten- und Lustspielverfilmungen wie „Frühlingsstimmen“, „Der fidele Bauer“ und „Pension Schöller“. Noch 1985 spielte sie im Kinofilm „Seifenblasen“ von Alfred Ninaus an der Seite Rudolf Carls eine kleine Rolle.
Ein von ihr geschriebenes und im Nachlass enthaltenes Filmdrehbuch mit dem Titel „Mord im Hochhaus“ wurde allerdings nie umgesetzt.
Doch nicht nur in Österreich, auch im deutschsprachigen Auslandkonnte Henriette Ahlsen reüssieren, wie sie in einem Interview erzählt. Sie spielte in Düsseldorf, München, Frankfurt und vor allem in der Schweiz habe sie als Soubrette viel Erfolg eingeheimst. (Fernseh-Zeitung, 23. Juli 1966)
Ebenso gastierte sie in Stuttgart, beispielsweise bei Operettenkonzerten Anfang der 1960er-Jahre, zusammen u.a. mit Ernst Arnold.
Als Soubrette trat sie auch 1964 in der Sommeroperette „Der Graf von Luxemburg“ im Theater an der Wien und bekam für ihre Rolle als Juliette sehr positive Kritiken, mit dem Vermerk ihrer unterschiedlichen Begabungen – Stimme, Tanz und Anmut gefielen.
Obwohl Henriette Ahlsen von der Kritik seit ihrer Anfangszeit durchwegs positiv hervorgehoben wurde, wollte der große Durchbruch nicht so recht gelingen. Sie eröffnete daher in den 1950er-Jahren ein Parfümeriegeschäft in der Wiener Innenstadt, wie sie in einem Interview erzählte. (Zeitungsausschnitt, ohne Datum)
1974 heiratete sie Schauspieler und Komiker Rudolf Carl, den sie von gemeinsamen Auftritten kannte. Die beiden lebten fortan in einem Haus am Ruckerlberg in Graz. Ihr um 27 Jahre älterer Mann starb 1987.
Quellen
Gerda Klimek / Rudolf Carl: Mein Leben war lebenswert, Graz 1979.
ÖKA-Bestandserweiterung: Sammlung Henriette Ahlsen, in: https://www.kabarettarchiv.at/Aktuell/97-%C3%96KA-Bestandserweiterung (abgerufen am 27.12.2023).
Rudolf CARL [Eintrag auf Musik-Austria], in: https://musik-austria.at/mensch/rudolf-carl/ (abgerufen am 28.12.2023).
Henriette Ahlsen [Eintrag auf Filmportal.de], in https://www.filmportal.de/person/henriette-ahlsen_ef4af9ef3956490b8e47c51c8dd5490b (abgerufen am 28.12.2023).
Iris Fink / Hans Veigl: „…und Lachen hat seine Zeit“, Kleinkunst in Österreich 1945 bis 1970, Graz 2016.
Herbert Lederer: Bevor alles verweht … Wiener Kellertheater 1945 bis 1960, Wien 1986, S. 135–139.
Österreichisches Kabarettarchiv: Sammlung Der Igel.
Österreichisches Kabarettarchiv: Sammlung Henriette Ahlsen.
Österreichisches Kabarettarchiv: Programmhefte – Kabarett Simpl, 1963–1970.
Elisabeth Breslmayer, Die Geschichte des Wiener Raimundtheaters von 1893 bis 1973. 80 Jahre Wiener Raimundtheater. 2 Bde. Wien, Univ,. Dissertation 1975.
Alois Haider: Die Geschichte des Stadttheaters St. Pölten von 1820–1975. Wien, Univ,. Dissertation 1978.
Recherchen in den Suchmaschinen der Österreichischen Nationalbibliothek ANNO, https://anno.onb.ac.at/ und des Österreichischen Bibliothekenverbundes: https://www.obvsg.at/kataloge/verbundkataloge.
Autor/innen:
Iris Fink/Thomas Stoppacher
Letzte inhaltliche Änderung:
13.03.2024