Foto: © Thomas Sessler Verlag; Nachlass Franz Paul
Franz Paul
* 1. Juli 1896 in Wien, † 16. November 1994 in Wien
Schriftsteller, Kabarett- und Bühnenautor, Kleinkunstbühnen-Leiter
Franz Paul absolvierte nach seiner schulischen Ausbildung eine Lehre als Schriftsetzer und begann eine Schauspielausbildung, erkannte aber bald, dass seine Begabung hinter der Bühne lag.
Mitte der 1920er-Jahre konnte er seine ersten Texte veröffentlichen, es handelte sich dabei um Lyrik und Kurzgeschichten, oftmals waren es in mehreren Teilen lancierte Kriminalromane in Tages- und Wochenblättern. Ab den 1930er-Jahren schrieb er dann zunehmend häufiger für die Bereiche Theater, Kabarett und Kleinkunst.
Paul verfasste Szenen für alle wichtigen Kleinkunstbühnen der Zwischenkriegszeit und erste abendfüllende Bühnenstücke. 1936 gelangte auf der Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“ „Der Mann ohne Hut“ zur Uraufführung. Im selben Jahr schrieb er unter dem Pseudonym Paul Lupa „Das große Trachtenspiel“ für das Sommerprogramm der „Literatur am Naschmarkt“.
Im „ABC“ hatten die „Termiten“ und „Eine Praternacht in Grinzing“ 1935 Premiere. Es folgten viele weitere, beispielsweise das im November 1936 erstmals gespielte Stück „Die Welt in 99 Jahren“ – ein Dreiakter, in dem Theater und Kleinkunst vereint wurden. Franz Paul zeichnete zusammen mit Fritz Eckhardt und Ernst Spitz für den Text verantwortlich.
Im Sommer 1937 übernahm Franz Paul die künstlerische Leitung von Hans Margulies. Das vormalige „ABC“ hieß nun „Cabaret Regenbogen“. Mit der Namensänderung versuchte man eine Firmen- und Gesinnungsänderung vorzutäuschen, um die zunehmende Zensur des austrofaschistischen Ständestaates zu umgehen. Trotzdem wurde weiterhin versucht, politische Stücke oder zumindest politische Aussagen auf die Bühne zu bringen. Dafür bürgte schon allein Jura Soyfer, der allerdings im Herbst 1937 wegen seiner illegalen kommunistischen Tätigkeit verhaftet wurde.
Nach dem „Anschluss“ war Franz Paul im „Wiener Werkel“ tätig. Er thematisierte beispielsweise gemeinsam mit – den durch seinen Namen getarnten, weil mit Berufsverbot belegten – Fritz Eckhardt in der Nummer „Das chinesische Wunder“ den Einmarsch der Deutschen in Österreich, dargestellt als Vordringen der Japaner in China. Mittels der satirischen Gegenüberstellung der Österreicher gegen die deutschen Okkupanten und den Konflikten zwischen österreichischen und deutschen Nazis konnte auf diese Weise leise Zweifel am Regime geäußert werden. Eine andere politische Nummer, „Herrn Sebastian Kampels Höllenfahrt“, stellt einen ständig nörgelnden Wiener Spießer dar, der auch über den nationalsozialistischen Alltag seine Beschwerden führte.
Mit Fortdauer des Krieges reduzierte Paul sein Engagement. Überliefert sind die Mitarbeit an Texten für das Revue-Programm im nun „arischen“ Kabarett „Simpl“, welches als reines Unterhaltungskabarett nach personeller Umbesetzung der Direktion weitermachen durfte, in der Saison 1940/1941, sowie die Veröffentlichung seines einzigen Romans „In meiner Wohnung brannte Licht“ im Ibach Verlag. Außerdem schrieb er Textbücher für die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft und den Reichssender Wien.
Nachdem Franz Paul und seine Frau in den letzten Kriegsmonaten Zuflucht in der Steiermark gesucht hatten, war er nach Kriegsende für drei Jahre als Kabarettdirektor in Graz aktiv. Das kleine Zeittheater „Der Igel“ eröffnete am 23. November 1945 im Café Rheingold in der Annenstraße mit dem Programm „Wiener Kleinkunst“. Das Lokal mit einer kleinen Guckkastenbühne im oberen Stockwerk entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem beachtlichen Ort der Kleinkunst, die erstmals in Österreich auch außerhalb Wiens Fuß fasste. Zwar waren die Rahmenbedingungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit – es fehlte an allem – schwierig und Improvisation war täglich gefragt, doch die Künstler/innen waren vor allem froh, wieder spielen zu können.
Im Ensemble fanden sich bekannte Namen wie Fritz Muliar, Henriette Ahlsen, Grita Kral, Hanns Obonya, Heinrich Trimbur oder Sepp Trummer. Bis 1948 wurden nahezu täglich insgesamt 14 Programme gespielt, der rund 300 Zuschauer fassende Raum war meist ausverkauft, Zeitungen und Rundfunk berichteten regelmäßig und ausführlich.
Paul setzte bei der Zusammensetzung seiner Programme auf eine Mischung aus Alt und Neu, aus Wiener und Grazer Textbeiträgen. Neben Stücken bekannter Autoren wie Eckhardt, Soyfer und Rudolf Weys war Franz Paul selbst der Haustexter des „Igel“. Er bearbeitete alte Werke aus dem „ABC“ und schrieb neue eigenständige Szenen und Lieder. Die Programme waren meist Nummernkabaretts zu aktuellen Themen, im Zentrum der Aufführungen stand immer wieder auch ein Mittelstück. Thematisch wurde die Zeit des Nationalsozialismus aufgearbeitet, doch wurde keine politische Richtung verschont. Krieg, Mitläufertum, Besatzung und Ernährungslage waren Bezugspunkte für die Texter.
Mit den späteren Programmen wurde der Igel zahmer und in seiner Themenwahl profaner, die Kritiken in den Zeitungen unterschiedlicher. Allerdings war das Konzept von Paul, er beschäftigte zeitweise über 40 Leute, finanziell nicht lange tragfähig und als auch der Zuschauerzuspruch nachließ, musste der Betrieb nach drei Jahren eingestellt werden. Das abrupte Ende des Theater- und Kabarettbooms der unmittelbaren Nachkriegszeit war eine Entwicklung der Zeit, der Wirtschaftsaufschwung verdrängte Kultur und Unterhaltung wieder in den Hintergrund.
Franz Paul kehrte nach Wien zurück. Dort übernahm er im September 1949 die künstlerische Leitung der Bühne „Kleines Haus in der Liliengasse“, einer Dependance des Theaters in der Josefstadt, in der vormals das „Wiener Werkel“ aktiv war. Zum kleinen Ensemble gehörten u.a. Ernst Waldbrunn, der spätere Conférence-Partner von Karl Farkas, sowie Rolf Olsen und Hugo Gottschlich. Gespielt wurden Lustspiele, Komödien und Kabarett-Revuen, die Musik stammte von Josef Carl Knaflitsch, den Paul von früheren Zusammenarbeiten kannte. Obwohl der Betrieb gut anlief, war im Mai 1950 schon wieder Schluss – die Gründe dafür sind unklar, allerdings dürften auch hier finanzielle Probleme eine Rolle gespielt haben.
Regelmäßige Einnahmen bezog Paul noch einige Jahre durch die oftmaligen Aufführungen von Lustspielen und Komödien, die er gemeinsam mit Fritz Eckhardt verfasst hatte.
In den folgenden Jahren wurde es ruhig um den umtriebigen Franz Paul. Er schrieb zwar noch Besprechungen von Theater- und anderen Premieren auf Keller-, Kabarett- und Revuebühnen, doch zunehmend zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und geriet trotz seiner großen Verdienste um die Kleinkunst in Vergessenheit. Nur manchmal wurden noch einzelne Sketche in Radio und Fernsehen gespielt. Für die Stadt Wien arbeitete Paul als Bühneninspektor.
1974 bekam er das Silberne Verdienstzeichen seiner Heimatstadt überreicht sowie – auf Antrag seines langjährigen Freundes Fritz Muliar – eine Ehrenpension bewilligt.
Quellen
Iris Fink / Hans Veigl, … und Lachen hat seine Zeit. Kabarett zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Kleinkunst in Österreich 1945 bis 1970 (= Band 2 der Reihe „Kulturgeschichte des österreichischen Kabaretts“), Graz 2016.
Manfred Lang, Kleinkunst im Widerstand. Das „Wiener Werkel“. Das Kabarett im Dritten Reich. Dissertation, Wien 1967.
Sabine Pribil, „Die Freiheitsstatue um fünf Schilling“. Das „Cabaret ABC“ (1934–38). Ein Beitrag zur Wiener Kabarettforschung. Dissertation, Wien 2017.
Michael Thomae, Franz Paul (1896 – 1994). Ein Wiener Schriftsteller. Diplomarbeit, Wien 2000.
Hans Veigl, Lachen im Keller. Kabarett und Kleinkunst in Wien 1900 bis 1945 (= Band 1 der Reihe „Kulturgeschichte des österreichischen Kabaretts“), Graz 2013.
Autor/innen:
Thomas Stoppacher
Letzte inhaltliche Änderung:
30.06.2021