Foto: © Plakat „Bestatten Sie!“, Slg. „Der Hammer“; Österreichisches Kabarettarchiv

Der Hammer

Studenten-Kabarettensemble, Graz, 1963 – 1965

 

Am 16. Februar 1963 konnte man in der Kleinen Zeitung eine Ankündigung über ein neues literarisch-zeitkritisches Studentenkabarett lesen: „Forum Stadtpark unter dem ‚Hammer‘“.
Dahinter verbarg sich eine neue Kabarettformation um die Studiosi Günther Horvatek, Heinz Rüpschl und Gerald Schöpfer, die erstmals eine Bühne betraten.

Inspiriert hatte die Protagonisten des neuen Ensembles „Der Würfel“, der 1961 nach Wien abgewandert war und in Graz eine große Lücke im Kulturleben hinterließ. Auch er hatte im 1960 gegründeten Forum Stadtpark gespielt. Nach seinem Weggang initiierte Emil Breisach (Präsident des Forum Stadtpark) das Kabarett „Forum Zoo“, das noch im Frühjahr 1961 zwei Programme spielte. Danach war Graz aber wieder ohne Kabarett. Nicht lange, wie die zitierte Ankündigung zeugt.

Am 20. Februar 1963 hatte dann „Der Hammer“ seine erste Premiere. Das Ensemble – das auch als Platzanweiser, Kassiere und Garderobenwärter fungierte – bestand aus Ulrike Körner, Marlies Nöst, Martha Veremczuk, Günther Horvatek, Michael Lichtenberg, Walther Neumann (Musik), Heinz Rüpschl, Gerald Schöpfer – der auch als Conférencier agierte, Gert Stegmüller (Klavier) und Dieter Gogg als Gast.
Die Texte ihrer musikalischen Nummernkabarett-Programme, die als zeit- wie gesellschaftskritisch gelten können, schrieben die Protagonisten größtenteils selbst und gemeinsam, im Sinne „echter“ Kabarettisten, die eigene Texte auf der Bühne darstellen. Ihr Publikum waren nicht ausschließlich Studenten und Studentinnen, was allein schon mit dem Aufführungsort zusammenhängt, der ebenso die Berichterstatter und Kritiker aller vier Grazer Tageszeitungen regelmäßig anlockte. So schrieb etwa die „Süd-Ost Tagespost“ am 22. Februar lobend: „Man hat sich gut unterhalten, vielleicht öfter geschmunzelt als laut herausgelacht, was kein Schaden ist, und manchmal auch den Ernst und die Bitterkeit hinter der Pointe gespürt, wie’s dem Kabarett zukommt.“

Bereits im April folgte das zweite Programm, nun mit dem Titel „Wände hoch!“, bei dem Gogg die Regie übernahm. Mit diesem Hammerschlag ging man auch gleich auf Gastspielreise. Die „Oberösterreichischen Nachrichten“ etwa berichteten am 17. Juni 1963 über ausverkaufte Vorstellungen und bemerkten zu den Conférencen von Gerald Schöpfer, dass diese „gut durchdacht, witzig gemixt, schmackhaft an den Mann gebracht“ serviert wurden. Mit dabei beim Linzer Gastspiel waren auch der „gewandte Witzbold am Klavier“ Dieter Gogg, Günther Horvatek – „von Qualtingerschen Humoren“, der bereits erwähnte Gerald Schöpfer – „das Getriebe der Hämmer und Hämmerchen in Schwung versetzend“, Heinz Rüpschl – „von originell komischer Kraft“, Franz Vass – „sympathisch-feinen Humors“ und „Wanda Full, Humor und natürliche Anmut in einem, eine bei Frauen im Grunde seltene, aber dafür um so köstlichere Mischung!“ (Linzer Tagblatt, 19. Juni 1963).

1964 hieß das Programm „Held oder Leben!“, mit dem „Der Hammer“ auch sein erstes Auslandsgastspiel im Rahmen einer mehrtätigen Forum Stadtpark-Veranstaltungsreihe in Zürich, inklusive der Fernseh-Aufzeichnung einiger Nummern, gab. „Der Hammer“ stellte sein Programm am 7. und 8. Jänner im Theater am Hechtplatz vor. Das Ensemble war gleichgeblieben, Dieter Gogg steuerte diesmal, so die „Kleine Zeitung“ (08.01.1964), den Großteil der Texte bei.

Das vierte und letzte Programm des „Hammer“, der sich nun zusätzlich „Das Makabarett“ nannte, hieß „Bestatten Sie!“. Mitwirkend diesmal die schon arrivierten Horvatek und Schöpfer. Neu hinzu kamen Sylvia Elischberger („eine echte Entdeckung“, „Neue Zeit“, 21.02.1965) sowie Jercy Trace am Klavier, der auch für die Musik verantwortlich zeichnete. Und ein Darsteller, der seine wahre Identität hinter dem Pseudonym Benito Mussolini versteckte. Er war kurzfristig für Heinz Rüpschl eingesprungen.

Mit dem Ende der Studienzeit musste man sich zwischen Kabarett und bürgerlicher Existenz entscheiden. Und das war, laut Gerald Schöpfer, nicht ganz leicht, denn das Kabarett-Spielen war finanziell durchaus verlockend. Trotzdem entschied man sich letzten Endes gegen die, langfristig unsichere künstlerische Tätigkeit.

 

Dr. Günther Horvatek (* 9. Juni 1943, Graz; gest. 21. Juni 1986, Graz), Studium der Rechtswissenschaften, zugleich, ab 1963 freier Mitarbeiter der „Neuen Zeit“, später auch des ORF. Nach seinem Studienabschluss war er Pressereferent der steirischen Sozialdemokratie, später übernahm er die Leitung des Karl-Renner-Institutes und war Landesvorsitzender der Jungen Generation. 1978 zog er als Abgeordneter der SPÖ in den Landtag, daneben war er für die Partei als Landesparteisekretär tätig.

DDr. Gerald Schöpfer (* 16. Jänner 1944, Graz) studierte Rechtswissenschaften (Dr. 1967) und Staatswissenschaften (Dr. 1972). Ab 1966 war er zwei Jahre lang Schadensreferent einer Versicherung. Danach wurde er auf der Universität aktiv: Zuerst als Assistent, 1975 habilitierte er sich im Fach Wirtschafts- und Sozialgeschichte; zwei Jahre später wurde er zum Ordinarius dieses Instituts berufen.
Eine Unterbrechung seiner Universitätskarriere fand 2004 statt, als Schöpfer in der von Waltraud Klasnic geführten Regierung kurzzeitig Landesrat für Wirtschaft und Europa wurde. Zwischen 2005 und 2010 war er Landtagsabgeordneter der ÖVP. 2006 übernahm er wieder die Leitung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte; seit 2012 ist er emeritiert. 2013 wurde er Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes.
Gerald Schöpfer schrieb nicht nur Texte für den „Hammer“, sondern auch für die, ebenfalls im Frühjahr 1963 gegründeten, „Tellerwäscher“ – oftmals unter dem Pseudonym Erik Bumbach (in Anlehnung an Erik Rumbach).

Mag. Franz Vass (* 18. März 1942, Güssing – 12. November 2020, Wallendorf/Mogersdorf), besuchte die Kunstgewerbeschule am Ortweinplatz in Graz, daneben Schauspielunterricht. 1964 Übersiedlung nach Wien und Besuch der Akademie der bildenden Künste, die er 1968 mit dem Diplom als akademischer Maler abschloss; danach Kunsterzieher am Gymnasium in Gleisdorf.
Als Maler und Grafiker war Vass Mitglied mehrerer Kultur- und Kunstvereine und hatte zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Verheiratet war er mit der ehemaligen Sekretärin des Forum Stadtpark, Hannelore Preywisch, die sich als „Hammer“-Darstellerin Wanda Full nannte.

Zu Heinz Rüpschl können wir leider keine Angaben machen.

 

Quellen:

Iris Fink / Hans Veigl, … und Lachen hat seine Zeit. Kabarett zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Kleinkunst in Österreich 1945 bis 1970 (= Kulturgeschichte des österreichischen Kabaretts, Bd. 2), Graz 2016, 424–426.

Iris Fink, „Made in Styria“ – Kabarett in und aus Graz. Eine Bestandsaufnahme, in: Friedrich Bouvier / Nikolaus Reisinger (Schriftleitung und Redaktion): Stadtgeschichte aktuell (= Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Bd. 42, Hrsg. vom Kulturamt der Stadt Graz), Graz 2012, 555–582.

Iris Fink, Von Travnicek bis Hinterholz 8. Kabarett in Österreich ab 1945. Von A bis Zugabe, Graz 2000, 78–79.

Iris Fink, „Kabrettl im Rückspiegel“. Grazer Kabarett und Kleinkunst im historischen Kontext. Graz, Univ., Diss., 1994, 202–214.

Gespräch (unveröffentlicht) mit DDr. Gerald Schöpfer, 4. Februar 1994.

Österreichisches Kabarettarchiv, Sammlung Der Hammer.

Gedenken an Dr. Günther Horvatek, 44. Sitzung des Steiermärkischen Landtages, X. Gesetzgebungsperiode - 4.Juni 1986, online: https://www.landesarchiv.steiermark.at/cms/dokumente/12083714_111932290/881d3607/LTProt-1986-06-04.pdf [aufgerufen am 09.01.2024]

Günther Horvatek, in: Rote Mark, online: https://rotemark.at/biografien/guenther-horvatek-2/ [aufgerufen am 09.01.2024]

Gerald Schöpfer, Kurzbiographie auf der Website der Universität Graz, online:  https://homepage.uni-graz.at/de/gerald.schoepfer/ [aufgerufen am 09.01.2024]

Nachruf Franz Vass, online: https://www.burgenland.at/news-detail/nachruf-franz-vass/ [aufgerufen am 09.01.2024]

Franz Vass, online: https://www.austrian-art.at/cms/index.php?page=franz-vass

Autor/innen:

Iris Fink

Letzte inhaltliche Änderung:

11.01.2024

 

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